Das Capuchadou

Vor den 1830er Jahren war im Aveyron, im Südwesten Frankreichs, das "Capuchadou" weit verbreitet. Ein einfaches Messer mit feststehender Klinge, das am Gürtel getragen wurde.


Bald kamen französische Händler mit regionale Waren (Wein, Käse, Salami) und auch Handwerker auf der Suche nach Arbeit aus dem Aveyron bis nach Nordspanien.


Das spanische Navaja

Sie fanden ein dort weit verbreitetes Messer - das "Navaja". Als Navaja wird im spanischen die Schwertmuschel bezeichnet. Die Form des Messergriffs ähnelte dieser Muschel.

Das Navaja war ein Taschenmesser, bei dem sich die Klinge einklappen ließ - praktisch, sicher und nicht so sperrig am Gürtel zu tragen wie das Capuchadou.

(Navaja Bilder: © Luis Vergara - Albacete - Spanien)

Aus diesen Gründen erfreute es sich bei den Händlern und Handwerkern aus Frankreich bald ebenfalls großer Beliebtheit und gelangte so auch bis in die Stadt Laguiole im Aveyron.


Die Erfindung des heute "Slipjoint" genannten Klappmechanismus

Dort bekam es der Überlieferung nach gegen 1829 der Messerschmied Pierre-Jean Calmels in die Hände.

Ihm fiel auf, dass das (damalige) Navaja Taschenmesser nur zusammengeklappt werden konnte, wenn ein unhandlich auf dem Griffrücken angebrachter Ring gezogen wurde um die Klinge zu entsperren.

Calmels erkannte das Verbesserungspotenzial und erfand das, was heute als Slipjoint Mechanismus bekannt ist. Messer mit Slipjoint besitzen keinen Verriegelungsmechanismus, wie z.B. Backlock oder Liner Lock.


Die Klinge rastet allein durch die Form des Klingenendes und der Feder im Griffrücken (auch Ressort genannt), entweder in der geöffneten oder der geschlossenen Position ein.

Zwischen den beiden Positionen muss die Klinge mit Druck gegen die Feder bewegt werden. Er verarbeitete den Mechanismus in einem schlichten, geradlinigen Messer - dem Droit, dem Geraden.


Das "Laguiole Droit"

Das handliche und praktische Taschenmesser aus Laguiole war sehr beliebt und verbreitete sich schnell.

Damals hatte es noch nicht die heute bekannte Form, sondern es war geradliniger mit einer weniger elegant geformten Klinge.

Es wird als "Laguiole Droit" - das gerade Laguiole - bezeichnet. Gegen 1840 kam dann als zweite Funktion neben der Klinge, der Dorn dazu.

(Bild Lagjuiole Droit aus: © La Coutellerie des Origines à nos jours Mr Camille Pagé -1896 – Planche Tome 1&2 page 300)

Der Dorn wurde hauptsächlich von zwei Berufsgruppen benötigt.

Die Hirten benutzten ihn um Tieren, die unter einer Kolik litten, den Pansen anzustechen, damit die Gase entweichen konnten.

Die Fuhrleute brauchten den Dorn um bei Reparaturen Löcher in das Zaumzeug der Zugtiere zu stechen.


Das Laguiole Messer in seiner heutigen Form

Erst zwischen 1850 und 1860 erhielt das Laguiole Messer die schlank, elegante Form, wie sie auch heute noch produziert wird.

Es war auch die Zeit, in der im Aveyron eine Landflucht einsetzte. Viele junge Aveyronäsen zogen aus, um jenseits der Heimat Arbeit zu finden. So zog es auch etliche von ihnen in die Metropole Paris.

Dort waren Sie besonders in der Gastronomie gefragte Mitarbeiter. So kam es, dass das Laguiolemesser speziell durch die Anforderungen dieser Berufsgruppe um den Korkenzieher ergänzt wurde, damit Sie es bei der täglichen Arbeit einsetzen konnten - das war um das Jahr 1880.

Schnell wurden die schönen schlanken Messer auch von den Mitgliedern der Pariser Gesellschaft wahrgenommen. Und so begann die Erfolgsgeschichte des Laguiole Taschenmessers als Gentleman Messer.

Es wurde den gehobenen Anforderungen entsprechend immer aufwändiger verziert, und edlere Materialien wurden verarbeitet.


Die Biene oder Fliege als Verzierung des Laguiole Messers

Wann die charakteristische Fliege oder Biene - man kann beide Begriffe verwenden - in der jetzigen, verzierten Form entstand lässt sich nur schwer sagen.

Vermutlich ist sie jedoch erst mit dem ausgehenden 19. Jahrhundert in dieser Ausprägung hinzugekommen. Die frühen Laguiolemesser hatten allenfalls eine glatte Metallplatte, die als Anschlag für die geöffnete Klinge diente.

Es ist auch nicht so, dass ein echtes Laguiole Messer zwingend eine Fliege/Biene haben muss. Dieses verzierende Element kann viele andere Formen haben, wie zum Beispiel die Jakobsmuschel für die Pilger auf dem Jakobsweg, das Kleeblatt als Glückssymbol, oder Weintrauben für den Weinliebhaber.


Das Hirtenkreuz

Auch das bekannte Hirtenkreuz kam wahrscheinlich erst Ende des 19. Jahrhunderts dazu. Das Kreuz wird üblicherweise mit Drahtstiften in die linke Griffschale des Laguiole Taschenmessers eingeschlagen.

Es ist so angeordnet, dass es aufrecht steht, wenn das Messer senkrecht mit der Klinge zum Beispiel in einen Laib Brot gestochen wird.

So hatten die Hirten auf ihren langen, oft einsamen Weidegängen immer einen kleinen Altar zum beten dabei.

Aber auch das Hirtenkreuz findet man längst nicht auf jedem original Laguiole Messer. Manche haben gar keine Verzierung, andere haben zum Beispiel kreisförmig eingesetzte Drahtstifte als Rosenkranz-Symbol.

Die Blütezeit der Messerproduktion in Laguiole ist dann in den Jahren bis 1920/1930. Etliche Schmieden mit teilweise über 15 Mitarbeitern produzieren zu dieser Zeit die im ganzen Land gefragten Messer.


Niedergang der Messerproduktion in Laguiole und erneuter Aufstieg

Allerdings verpassen es die Betriebe in Laguiole frühzeitig moderne Technik einzusetzen, wie dies die Konkurrenzbetriebe aus der bekannten Messerstadt Thiers zu diesem Zeitpunkt schon tun.

Das führt dazu, dass Thiers in Punkto Produktivität die Oberhand gewinnt. Auch haben die beiden Weltkriege zu einem starken Mangel an Fachkräften in Laguiole geführt.

Gegen 1950 kommt die Messerproduktion in Laguiole dann komplett zum Erliegen. Die bekannten Laguiole Messer werden in den Folgejahren nur noch von Schmiedebetrieben in Thiers produziert.

Erst 1985 wird die Messerproduktion in der Ursprungsregion Laguiole wiederbelebt. Erste Betriebe beginnen wieder mit der traditionellen Fertigung, und das mit durchschlagendem Erfolg.

Heute gibt es in Laguiole wieder eine florierende Messerproduktion und das Laguiole Messer erfreut sich weltweit goßer Beliebtheit.

Diese geschichtliche Entwicklung erklärt auch, warum französische Laguiole Messer nicht nur aus Laguiole, sondern auch heute noch teilweise aus Thiers kommen.

Immerhin ist es den Betrieben aus Thiers zu verdanken, dass die Tradition des Laguiolemessers fortgeführt wurde, als die Produktion in Laguiole selbst nicht mehr stattfand.


Negative Seiten des Produkterfolgs

Überhaupt nichts mit der Tradition, der Region und der handwerklichen Qualität haben hingegen Plagiate aus Fernost zu tun.

Leider ist weder die charakteristische Form der Messer, noch der Name Laguiole in irgendeiner Art und Weise geschützt.

Das führt dazu, dass auch billigste Imitate unter dem Namen Laguiole auf dem Markt sind, mit denen Trittbrettfahrer an der Beliebtheit der Originale mitverdienen wollen.

Nur wenn ein Taschenmesser aus einer der bekannten Schmieden kommt, kann man sich sicher sein ein original Laguiole Messer zu erhalten.


Renommierte Schmiedebetriebe

Die von uns geführten Marken Laguiole en Aubrac, Coutellerie de Laguiole Honoré Durand und Forge de Laguiole erfüllen alle Ansprüche an regionale und hochwertige, handwerkliche Fertigung im besten Sinne der Tradition des schönen Laguiole Messers.